Zwei
Mancunians mit neuen Alben am Start
Dass Noel auch dieses Handwerk recht ordentlich beherrscht, wissen wir spätestens seit dem legendären „Don’t look back in Anger“. Trotzdem ist dies, mit seinem ultracoolen, stets leicht genervt wirkenden Gesang, mit den andauernd, ausnahmslos und ewig in die Länge gezogenen Vokalen, nach wie vor die Domäne und größtes Asset vom jungen Gallagher und dessen längst fälliger Ausgleich...
Songs/
Singles
Auf „As you were“ gelingt der Mix zwischen treibenden Rock Songs und schönen Indie Balladen ausgezeichnet. Vor allem einige langsamere Nummern mit feinen Refrains und Singalongs („Paper Crown“, „I’ve all I need“, „When I am in need“) sind ganz großartig. Noels Songs sind zwar ebenso interessant, halten da aber nicht immer ganz mit, womit der kleine Bruder erstmals seine große Nase vorne hat...
Charisma/
Coolness
Ich kanns drehen und wenden wie ich will, aber der ältere Gallagher bleibt für mich trotz allem der Bessere von den Zweien. Sein Auftreten, sein Verständnis von Musik und dem Business, was er von sich gibt und in welcher Art und Weise. Das hat schon mehr Kraft und Klasse als die arroganten verbalen oder non-verbalen Rundumschläge seines Pendendants. Da kann Liam noch so lässig live performen und sich ums Mikro herumwinden mit am Rücken verschränkten Armen. Wieder Gleichstand in diesem spannenden Derby, das ja bekanntlich stets eigene Gesetze hat und nicht immer der Favorit als Sieger vom Platz gehen muss...
Rock‘n’Roll
Faktor
Durch die verschiedenen, teils auch geglückten, neuen Ideen, ist bei Noel dieser Faktor leider etwas zu kurz gekommen. Außer dem stampfenden „Holy Mountain“ ist da eher weniger zu finden. Liam hingegen setzt voll auf diese Karte, sticht damit und geht erneut in Front...
Als
es mich unlängst anlässlich eines Auslandsaufenthaltes zufällig in eine
Karaoke-Bar wehte und ich mich plötzlich umringt von einer Horde blutjunger
EngländerInnen widerfand, die leidenschaftlich und mehr als innbrünstig
„Champagne Supernova“ von Oasis mitzusingen versuchte…
…da
wurde mir wieder bewusst, was dies für eine großartige Nummer ist, erschaffen
von einer grandiosen Band, die uns einst sehr viel Freude bereitete. Die zwei
Brüder, die mit ihrer Band aus der Working Class, aus dem grauen und
industriellen, aber für Musik stets sehr fruchtbaren Manchester, Anfang der
90er plötzlich empor stiegen.
Was
hatte uns das mega-coole, raue Debut damals begeistert, um mit dem legendären
Nachfolger („What’s the Story) Morning Glory“ einen noch größeren Höhepunkt
folgen zu lassen und einen imperialen Siegeszug zu starten. An das formidable
Niveau der spannungsgeladenen ersten beiden Platten konnte die Band leider nie
mehr heran kommen, sich jedoch bis heute noch eine große, treue Fan-Schar
aufbauen, was Verkaufszahlen und ebenso legendäre Konzerte in deren Historie
belegen. Nicht zuletzt auch wegen des Charismas, dieser ungleichen Brüder, des
eher ruhigeren, aber nicht minder kantigen, kreativen Songschreibers und
Mastermind Noel Gallagher auf der einen und des lauten, frechen, oft
ungehobelten, aber genialen Sängers Liam Gallagher auf der anderen Seite.
Sie
bezeichneten sich manchmal übertrieben vorlaut, aber deswegen nicht weniger
selbstüberzeugt, als beste Band der Welt, nach Eigendefinition sogar größer als
die Beatles, die sie trotzdem oder gerade deswegen immer sehr verehrten und bis
heute gnadenlos und unverfroren „bestehlen“. Erfrischend war das. Ecken und
Kanten. Größenwahn. Skandale. Großkotzige Ansagen. Aber auch wunderbarer Indie
Rock n’Roll. Geile Gitarren Melodien. Großartige Songs. Hymnen für die
Ewigkeit. Und zwei verrückte Brüder, die mit ihrer unangepassten und ungestümen
Art das Business ordentlich durchmischten, dadurch auch sehr belebten.
Streit
war natürlich vorprogrammiert in diesem Spiel, irgendwann auf der Tagesordnung
und führte etztlich 2009 zum Split der Band, mit dem Ausstieg Noel Gallaghers
nach 7 Studio Alben. Öffentlich verlautbarte Schuldzuweisungen, Anschuldigungen
oder gar untergriffige Beleidigungen ließen in der Folge einen tiefen Riss
zwischen den beiden Musikern entstehen.
Und
die mancherorts vielleicht erhoffte Milchmädchen Rechnung: 2x Gallagher =
doppeltes (Oasis-) Vergnügen, ging leider auch nicht wirklich auf.
Liam
schnappte sich einige Oasis Musiker und versuchte sich weniger erfolgreich mit
neuer Band namens „Beady Eye“, die er später wieder auflöste und solo
weitermachte. Noel
wiederum veröffentlichte in dem Zeitraum mit seinen „High flying birds“ zwei
Platten und die eine oder andere gekonnte Single. Nachhaltigen Zuspruch,
gewohnte Aufmerksamkeit, Relevanz und Lorbeeren ernteten aber beide damit
relativ wenig.
Nun
wollte es der Zufall (oder auch nicht?), dass die beiden zwar nicht zeitgleich
aber doch relativ zeitnah, neue und doch sehr ansprechende Platten auf den
Markt warfen, die ich zum Anlass genommen habe sie einfach einmal gegeneinander
antreten zu lassen.
Autumn
in the year 2017, somewhere in Manchester, Gallagher versus Gallagher, Liam
versus Noel, „As You Were“ versus „Who built the Moon?“
Songwriting
Ich
hätte es nicht für möglich gehalten und Liam zugetraut, aber die vielen
gelungenen, melodischen Songs auf der neuen Platte sorgen überraschenderweise
dafür, dass er hier gegenüber seinem kreativen Bruder nicht den Kürzeren zieht
und das Duell gleich mal offen halten kann...
Liam
1 – 1 Noel
Musik/
Kreativität
Während
sich Liam mit seiner Band an den klassischen und simplen Erfolgsfaktoren im
Rock orientiert (dominante Gitarren und
Schlagzeug), geht Noel mit weit höherer Experimentier- und Risikofreudigkeit zu
Werke und verdientermaßen in Führung. Seine Platte ist vielseitiger und bedient
sich verschiedenster Stilmittel. Von psychodelischen Rock über Retro
Discobeats, Synthesizer, sogar Blues Elementen, bis hin zum bewährten Indie
Pop/Rock, ist da sehr viel enthalten...
Liam
1 – 2 Noel
Gesang/
StimmeDass Noel auch dieses Handwerk recht ordentlich beherrscht, wissen wir spätestens seit dem legendären „Don’t look back in Anger“. Trotzdem ist dies, mit seinem ultracoolen, stets leicht genervt wirkenden Gesang, mit den andauernd, ausnahmslos und ewig in die Länge gezogenen Vokalen, nach wie vor die Domäne und größtes Asset vom jungen Gallagher und dessen längst fälliger Ausgleich...
Liam
2 – 2 Noel
Auf „As you were“ gelingt der Mix zwischen treibenden Rock Songs und schönen Indie Balladen ausgezeichnet. Vor allem einige langsamere Nummern mit feinen Refrains und Singalongs („Paper Crown“, „I’ve all I need“, „When I am in need“) sind ganz großartig. Noels Songs sind zwar ebenso interessant, halten da aber nicht immer ganz mit, womit der kleine Bruder erstmals seine große Nase vorne hat...
Liam
3 – 2 Noel
Ich kanns drehen und wenden wie ich will, aber der ältere Gallagher bleibt für mich trotz allem der Bessere von den Zweien. Sein Auftreten, sein Verständnis von Musik und dem Business, was er von sich gibt und in welcher Art und Weise. Das hat schon mehr Kraft und Klasse als die arroganten verbalen oder non-verbalen Rundumschläge seines Pendendants. Da kann Liam noch so lässig live performen und sich ums Mikro herumwinden mit am Rücken verschränkten Armen. Wieder Gleichstand in diesem spannenden Derby, das ja bekanntlich stets eigene Gesetze hat und nicht immer der Favorit als Sieger vom Platz gehen muss...
Liam
3 – 3 Noel
Durch die verschiedenen, teils auch geglückten, neuen Ideen, ist bei Noel dieser Faktor leider etwas zu kurz gekommen. Außer dem stampfenden „Holy Mountain“ ist da eher weniger zu finden. Liam hingegen setzt voll auf diese Karte, sticht damit und geht erneut in Front...
Liam
4 – 3 Noel
Oasis
Faktor
Vielleicht
ist es nur die gewohnte Stimme Liams, aber alleine schon wegen seinem
wunderbaren „For what it’s worth“, dem besten Oasis Song seit es Oasis nicht
mehr gibt. „Wonderwall“ oder „Whatever“ part two, bin ich geneigt zu sagen,
auch sehr Beatle-esque (wie die ganze Platte übrigens), erinnert stark an die
besungenen immerwährenden Erdbeerfelder. Aber auch sonst klingen viele Nummern
sehr stark wie in glorreichen Zeiten dieser Band. Somit scort Liam abermals und
sorgt für die endgültige Entscheidung...
Liam
5 – 3 Noel
Ein
überraschender, aber nicht unverdienter Sieg für Liam Gallagher mit seinem mehr
als gelungenen Album. Respekt! Good Job! Ehre wem Ehre gebührt!
Und
zuletzt lieferten die beiden wieder Schlagzeilen abseits der Musik. Dieses mal
jedoch positiv, berichtete doch the English Press von einer klärenden
Aussöhnung der beiden sturen und wilden Streithähne. Eine Neuigkeit, die sich
natürlich wie ein Lauffeuer verbreitete und die Spekulationen (und Hoffnungen)
auf eine Reunion von Oasis nährte.
Der
Zauber des vergangenen Momentes lässt sich wohl kaum wiederholen. Und selten
haben diese Wiedervereinigungen wirklich dauerhaft funktioniert und nachhaltige
Qualität gebracht. In diesem Fall könnte daraus jedoch schon eine spannende
Sache werden und die Rechnung: 1 plus 1 = ein gutes Ganzes, aufgehen.
We
will see and anyhow won‘t look back in anger…
Kommentare
Kommentar veröffentlichen