Auf der Jagd nach
Toren und Siegen!
Beim Boxen würde jetzt die Glocke erklingen. Die
erste Runde ist gespielt. Jeder durfte einmal ran. Nun sind wir schon wieder
etwas gescheiter, oder noch weniger. Wenn ich wieder an die zahlreichen
Experten da draußen denke, dann wurden die Einen bestätigt und werden sich
aufplustern wie eitle Gockel oder nur milde, arrogant und überlegen lächeln. Die
Anderen wiederum bis zum Erträglichen krampfhaft versuchen ihre
Fehleinschätzungen so glaubhaft, plausibel und überzeugt wie möglich zu
erklären. Alles Humbug. So ist der Fußball (und der Sport generell). Weder
planbar noch vorhersehbar. Das macht ja gerade diesen Reiz aus. Alles andere
wäre auch stinklangweilig. Überraschungen gibt es immer. Auch das eine oder
andere abseits des Rasens. Da werden Trainer zwei Tage vor diesem Großereignis
kurzerhand getauscht. Gegen jede Logik und Vernunft und menschlich ganz schlimm
für den Betroffenen, der sich das hart erarbeitet hatte. Dort feiern
Außenseiter Triumphe oder Favoriten bittere Enttäuschungen. Aber es ist noch nichts
passiert. Auch wenn bei der einen oder anderen Nation das Selbstvertrauen
steigt, im gleichen Maße wie der Druck an anderer Stelle. Das erste Spiel ist
immer wichtig und mindestens ebenso schwierig. Klar gibt es schon einige
Erkenntnisse und vage Trends, die sich bewahrheiten oder fortsetzen werden,
aber ebenso welche die im nächsten Durchgang gleich wieder widerlegt werden
können. Noch alles offen. Fast.
Wo haben sich die
zahllosen Fachmänner, die Echten, die manchmal gar keine sind oder die weniger
bekannten, die sich trotzdem gerne so fühlen oder gelegentlich tatsächlich
welche sind, gnadenlos geirrt und wo doch Recht behalten? Was haben wir für
erste Eindrücke gewonnen? Gruppe für Gruppe, einmal kurz durchgedribbelt...
Zunächst gleich mal
großes Aufatmen beim Gastgeber. Nach der äußerst schwachen Vorbereitung, war
aber auch der erste Auftritt nur dem Ergebnis nach ein Feuerwerk. Zu schwach,
und sogar überraschend schwach waren die armen, heillos überforderten
Wüstenkicker aus Saudi Arabien. Die Russen wiederum entpuppten sich als Meister
der Effizienz.
Gleich darauf
durften wir den ersten Höhepunkt und Spektakel dieser WM genießen- die zwei so beliebten Urlaubsdestinationen im ewigen Duell- Spanien versus Portugal. Nicht
jeder Schlager verspricht das was er auch zu halten vermag. Nicht so in diesem
Falle. Das war großes Kino. Großer Sport. Das reinste Vergnügen diesen
Fußballern zu zusehen. Diese Qualität und Ballbehandlung in höchstem Tempo,
Wucht und Dynamik. Das Wort Kunst ist hier keine überhöhte, abgehobene Übertreibung
mehr, sondern berechtigt. Höchstes Niveau. Danke dafür. Und ein Superstar, den
man nicht unbedingt mögen muss, was aufgrund seiner übertrieben zur Schau
gestellten Egozentrik, Affektiert- und Selbstverliebtheit auch ziemlich
schwerfällt. Aber über dessen Fähigkeiten es keine zweite Meinung gibt und
wogegen auch kein Kraut gewachsen scheint. Und dazu auch noch der Iran, der
sich den aktuellen Tabellenstand einrahmen wird, wohlwissend dass es eine
schöne Momentaufnahme ist und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
unmöglich dabei bleiben wird.
Danach sahen wir
einige große Nationen in teilweise noch größeren Schwierigkeiten. Die hoch
eingeschätzten Franzosen mühten sich gegen tapfer und wacker kämpfende
Australier, die sich diese Niederlage nicht verdient hätten. Gleiches gilt für
die in unserer Generation (1978 die erste WM live und bewusst miterlebt) irgendwie
legendären Peruaner mit der knappen Niederlage.
Und die Isländer
haben es schon wieder getan. Dieses Mal sind die agilen Argentinier an der
rauen Felsküste und den physisch so starken Wikingern, allesamt rund um den
Strafraum postiert wie auf einer Festung, zerschellt. Und Messi’s WM-Fluch
scheint vorerst auch prolongiert. Somit bleibt diese Gruppe auch für Kroatien
schwer, bei denen sich ein sehr gutes Team auf die Reise nach Russland begeben
hat.
Genauso konnten die
„Vorschusslorbeeren-Tänzer“ aus Brasilien unerwartet nicht als Sieger vom Platz
gehen. Etwas zu lässig und fahrlässig im Umgang mit ihren Chancen haben sie den
Eidgenossen einen wertvollen Punkt geschenkt, der doch etwas glücklich war. Für
den man, wie für Leistung und Auftreten, trotzdem viel Respekt zollen sollte
und neidlos anerkennen muss. Dass Neymar (wie schon gegen Österreich)
anscheinend Ronaldo als wehleidige Memme auf dem Platz ablösen möchte, ist eine
komische Nebengeschichte. Klar wird dieses Jahrhundert Talent nicht mit
Samthandschuhen angefasst (welcher geniale Spielmacher wird das schon?), aber
man kann immer alles (und das Schauspiel) übertreiben. Und eine meiner alten
Kicker-Meinungen passt hier so gut wie das Runde ins Eckige. Sie besagt- „Wer
austeilt, muss auch einstecken können“ (wobei bei Herrn Neymar mit Austeilen
die Provokation gemeint und auch nicht notwendig ist). Brasilien hat jedoch so
viel Qualität, die bei den beiden anderen kommenden Gegnern nicht so sichtbar
war, und man sich deshalb noch keine allzu großen Sorgen um die Südamerikaner
machen muss.
Dass uns selbst das
große, selbstüberzeugte Deutschland seine Unform und Unruhe so eindrucksvoll
bestätigt, war nicht ganz zu erwarten. Ich traue der allgemeinen (und
hierzulande üblichen) Schadenfreude nicht ganz, zumal ich auch die beiden
anderen Gruppengegner nicht so stark einschätze. Aber gespannt kann man schon
sein, ob und wann diese stets so unberechenbare Großmacht zu Homogenität und
Spielfluss zurück findet. Auf der anderen Seite die pfeilschnellen und so
unglaublich flinken Mexikaner. Der Fleisch- (Fußballer-) gewordene Albtraum
eines jeden großgewachsenen Verteidigers (ich weiß wovon ich spreche ;-)).
Brutale Konter. Geile Konter. Am Ende dann oftmals nicht die besten
Entscheidungen getroffen, und somit noch lange nicht der neue Topfavorit in
dieser Gruppe. Könnte noch sehr spannend werden.
In Gruppe G haben
sich letztlich auch erst mal die beiden großen Favoriten durchgesetzt, wenn auch
mit etwas Mühe. Die Engländer tun sich anscheinend sehr schwer mit dem
Tore-schießen. Bei Belgien könnte das Tore-schießen ergo die starke Offensive
noch zum Trumpf werden. Zwei interessante Teams mit Potenzial weit vorne zu
landen.
Die letzte Gruppe
scheint extrem ausgeglichen, alle vier Teams auf Augenhöhe. Da könnte der Kampf
um die beiden begehrten Achtelfinal-Tickets noch ziemlich dramatisch werden. Gut so.
Was war noch
auffällig, ganz allgemein und möglichst neutral gesehen? Bisschen behäbig ist
es schon losgegangen. War es vielleicht der Kantersieg der Russen gleich im
Eröffnungsspiel, der manche Teams vorsichtiger gemacht hat? Oder ist es doch
eher das übliche Abwarten und Abtasten im ersten WM Auftritt, um kein zu großes
Risiko einzugehen? Viele Spiele sind wie zu erwarten war nur sehr schwer in
Gang gekommen, manche überhaupt nicht. Ausgenommen oben bereits kurz gestreifte
Highlights. Die zweite Halbzeit war meist die bessere, flottere und
attraktivere. Der Videobeweis bleibt umstritten. Ein paar Mal schon gekonnt und
perfekt angewandt, manchmal komischerweise total ausgeblieben. Wo man sich dann
fragt, ob der Video Assistant Referee (VAR) wie er offiziell genannt wird,
während der (zumindest in der Super Zeitlupe im TV) dann gar nicht mehr so
strittigen Szene gerade seine Notdurft verrichten musste...
Einige sehr schöne
Tore haben wir schon gesehen. Das ist natürlich das Salz in der Suppe. Der
Schnitt mit fast zweieinhalb Toren pro Spiel ist nicht überragend, aber ok.
Viele Elfmeter wurden schon getreten, aber nicht alle fanden ihren Weg ins Tor.
Ob das mit dem Videobeweis zusammenhängt (und noch mehr hätten es eigentlich
sein müssen)? Bemerkenswert überhaupt die vielen Treffer und Entscheidungen aus
Standardsituationen, wie man es mittlerweile im modernen Fußball, sehr geprägt
von Taktik und gekonntem Defensivspiel, gewohnt ist. Bei dieser WM aber noch mehr
als sonst.
Die Fans sind gut gelaunt, bunt wie gewohnt und amüsant anzusehen. Immer wieder eine der schönsten Nebenerscheinungen dieser sportlichen Großereignisse.
Die Fans sind gut gelaunt, bunt wie gewohnt und amüsant anzusehen. Immer wieder eine der schönsten Nebenerscheinungen dieser sportlichen Großereignisse.
Was hat sich noch
getan? Ach ja, der vermeintliche Skandal. Die Yellow Press und wie immer
hochsensible Öffentlichkeit (die sich eh nach solchen kleineren und größeren
Entgleisungen sehnt, um was zum Reden zu haben abseits des manchmal brutal
langweiligen Alltags) wurde auch schon bedient. Dank Robbie Williams, der bei
der Eröffnung wieder einmal eine Super Show abgeliefert und diese mit einer Geste
verfeinert hat, die nicht überall gut angekommen ist und die Moralapostel
wieder auf den Plan gerufen hat. Einfach ein Statement und der gute Mann wird
seine Gründe dafür gehabt und sicher
niemanden gemeint haben, der es nicht auch verdient hat. Denen es gegolten hat,
die werden es schon wissen. Wir war das mit dem Austeilen und Einstecken? Alle
anderen brauchen sich weder angesprochen fühlen, noch in die kollektive Empörung
und Aufschrei verfallen. Es gibt viel Schlimmeres auf der Welt und Stinkefinger
mittlerweile sogar schon als Emoji zum einfachen Verschicken. Und selbst wenn
er eine Gage für diesen super Auftritt erhalten hat. What the f**k? Das ist
doch sein Job und den beherrscht er nun mal verdammt gut. Also bitte wieder
schnell entspannen.
Apropos Robbie. Er
selber ist ja ein ganz großer Fußballfan. Hat schon den einen oder anderen Song
und Video mit Fußballbezug kreiert. Sich auch immer wieder liebend gerne im
Fußballdress ablichten lassen, sogar schon auf einem seiner Plattencover. Er
wird, wie so viele berühmte Kollegen, seinen Landsleuten fest die Daumen drücken. Ist ja
kein Geheimnis, dass es gerade im Mutterland des Fußballs und auch der guten
Musik da eine starke Verbindung gibt. Man denke an die Gallagher Brüder von Oasis
und viele weitere aus der Manchester Szene oder Kasabian mit ihrem
leidenschaftlichen Faible für den Heimverein aus Leicester. Bis hin zum großen
Elton John, um nur ein paar wenige Beispiele zu nennen. Kaum ein Musiker oder
eine Band, die was auf sich hält, kommt daran vorbei. Auch deshalb halte ich
gerne zu England, und natürlich wegen ihres stimmungsgeladenen, kultigen
Klubfußballs. Wäre schon wieder mal fein und aufregend, wenn die Engländer was
reißen. Wie klingt es so schön im legendären „Three Lions“ von den sehr verehrten
Lightning Seeds „...never stopped me dreaming...“. Träumen darf man immer. Und
an etwas glauben, so unmöglich und schwierig es auch scheint. Auch das macht den (Fußball-)Sport aus...
Also weiter Daumen
halten! Für wen auch immer! Alles ist erlaubt!
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